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Auf hoher See

Um die Zeitsprünge etwas lesbarer zu machen, sind im Folgenden die Tage angegeben, an denen ich die Nachrichten bekommen habe. Diese Seite wird während der Reise etwa alle zwei Tage aktualisiert.

 

22-11-18

Wir hatten gestern ausgeprägte Flaute, trafen unterwegs, mitten auf dem Teich einen anderen Segler, was immer zu netten Funkgesprächen führt. Wo kommst du her, wo geht's hin, was sind die weiteren Pläne , Austausch von Wetterinformationen, nicht jeder hat iridium an Bord. Heute Nacht schlief der Wind komplett ein, wir hatten keine Segel mehr ausgerollt, die Ankerlaterne an und schliefen, einer drin, einer draußen. Mittlerweile hat der Wind wie angekündigt aufgefrischt auf 5 Bft, wir erwarten später und die nächsten Tage 6-7 Bft. Wir haben auch eine Menge Zeit aufzuholen, unser Schnitt darf sich ruhig von jetzt 4,2kn auf ursprünglich 6,5kn verbessern. Dieter hat für die Reisegeschwindigkeit von gestern 40 Tage Fahrtdauer ausgerechnet, nun ja, Proviant wäre genug an Bord, muss aber nicht sein.

23-11-18

Gestern hing der erste Fisch an der Angel, der erste überhaupt,  seit wir unterwegs sind.  Und dann gleich eine 1,10m lange Goldmakrele.  Wir waren gute 2 Stunden beschäftigt mit Ausnehmen, Säubern, Teilen,  Filetieren, und das bei hohem Seegang. Mit dem Wind sind die Wellen wiedergekommen, so hoch, dass wir einen Frachter querab in 4sm nur mit AIS und auf dem Wellenberg gesehen haben, im Wellental überhaupt nicht, er uns denke ich auch nur mit AIS. Man muss sich grundsätzlich immer festhalten oder man fliegt durch die Gegend, gar nicht so einfach, zu kochen oder  mit irgendwas zu hantieren. Essen geht nur mit dem tiefen Teller ausbalanciert in der Hand. Das derzeit hilfreichste Utensil sind rutschfeste Matten auf sämtlichen Ablageflächen.
Und was machen wir mit 4kg Fischfilet? Gleich essen und den Hauptteil mit Weißwein dämpfen, portionsweise einschweißen und anschliessend diverse Kochbücher zu Rate ziehen.  Angeln ist vorerst nicht mehr nötig.

24-11-18

Nicht nur wir sind angestrengt von dem groben Seegang, jede Bewegung erfordert vorsichtige Konzentration. Der Autopilot steuert zuverlässig ununterbrochen sämtliche Wellen aus, das Lenkrad quietscht mittlerweile. Bedeutet, Kompass abbauen, Lenkkopf abbauen und WD40 einspritzen, alles wieder zusammenbauen. Heute ist ein Riggcheck angesagt, gestern entdeckte Dieter, dass sich das 3.Reff vom Großsegel gelöst hatte. Sollte alles im Bedarfsfall funktionieren. So ein Törn beansprucht das Schiff enorm, ein Glück,  dass es so solide gebaut ist.

Heute sind wir außerdem beschäftigt mit Wassermachen, Brot backen, Mails schreiben und Wellen ausgleichen, Duschen. ( keine Frage ob blaue Flecken, sondern nur wieviele). Langeweile ist anders.

26-11-18

Um 10.30 Ortszeit (12.30 Uhr MEZ) sind wir nun, weil wir in der Passatwindzone angelangt sind, auf Kurs gegangen in Richtung Martinique. Dabei ist uns was Merkwürdiges aufgefallen: beide Garmin GPS Geräte zeigen unabhängig von einander einen Kurs an, der etwa 20 Grad vom PapierKartenkurs und von den anderen beiden elektronischen Kartenkursen abweicht, auch vom logischen Kurs, da unser Ziel südlich von hier liegt und es Unsinn wäre, nach Norden zu fahren, den Großkreis bereits mitberücksichtigt. Komisch, es kann eigentlich nur an der Software liegen, auch nicht an Missweisung, denn die GPS Geräte haben keinen Kompass. 20 Grad Abweichung, da kämen wir in Kuba an, auch reizvoll, aber erst später.

Die Welle ist nach wie vor so hoch, dass wir permanent durchgeschüttelt werden und tatsächlich die Gefahr besteht, einmal wogegen zu fallen und sich was zu brechen. Üble Vorstellung, hier ist jetzt weit und breit niemand mehr zu sehen, die letzten beiden Tage waren wir immer allein auf unserer AIS Anzeige. Aber vor wenigen Tagen trafen wir einen Fischer ganz nah, der kein AIS Signal aussendete, also Augen immer auf.

Wir werden uns unserer Winzigkeit auf der Mitte des Atlantiks bewusst und sind froh und dankbar, dass der Atlantik so gnädig mit uns umgeht und unser Schiff so souverän und sicher unsere kleine Welt nach Westen bringt.

27-11-18

So wie wir hier unterwegs sind, spielt das eigentliche Segeln nur eine untergeordnete Rolle.  Man segelt so nebenbei, der Autopilot steuert und wir sind damit beschäftigt,  das Leben an Bord schwer schaukelnd und rollend auf die Reihe zu bekommen.  Anders heute, wir sind im Passatgürtel, der Himmel ist blau mit kleinen Wattewölkchen, es weht ein schöner 4er Wind, es ist sehr warm geworden und wir genießen allerschönstes Segeln mit tatsächlich nicht mehr als 2m Welle. Wunderbar, Kaffeetrinken, lesen, träumen und trotzdem 6,5kn schnell!

29-11-18 

Wir feiern heute Bergfest, zumindest nach Seemeilen, es sind noch 1375sm zum Ziel. Da wir aber dahin rauschen mit 6,5 - 7kn Geschwindigkeit im Schnitt, werden wir nur noch 10 Tage für die Strecke brauchen.

Es hat sich längst ein Bordalltag eingestellt, die Nachtwache beginnt um 20 Uhr, ich fange an, jeweils 3 Stunden. Die Zeit vertreiben wir uns mit Hörbüchern, Musik und Filmen, witzigerweise werden wir in der Regel nach 3 Stunden automatisch wach. Für den ersten Kaffee bin ich zuständig, Dieter hat die letzte Wache. Tagsüber sind diverse Arbeiten angesagt, Wassermachen, Logbuch führen, aufräumen, Kartenarbeit, Wetter und Mails abrufen, Schlaf nachholen und natürlich träumen, erzählen, Lesen, Nichtstun. Am Abend , zu Beginn der Dämmerung sitzt Dieter im Cockpit und schnippelt, ich koche egal bei welcher Welle und das ausgiebig. Unser Favorit bisher war das frische Makrelenfilet auf Kartoffelgemüsebett mit selbstgemachter Zitronenaioli.

Mit der Zusammenstellung unserer Speisekarte habe ich im Vorfeld viel Zeit verbracht, die Einkaufsliste musste passen und wir finden es enorm wichtig, täglich was Leckeres zu essen, grade hier an Bord, wo sonst nicht viel passiert. Die Tage vergehen wie im Flug.

30-11-2018

Wir sind jetzt mitten im Ozean, das nächste Land ca. 1000 sm entfernt, unter uns 6000m Wassertiefe mit einem vollkommen unbekannten Universum, über uns ein klarer Himmel mit unzähligen Sternen und wir bewegen uns im Schneckentempo nach Westen - gerade mal täglich 2cm von mehr als 40cm Strecke auf der Papierkarte.

Lediglich 6 Schiffe tauchten während der vergangenen 12 Tage in unserem Sichtbereich auf, wir sind hier wirklich allein. Es gibt nicht viele Orte auf der Welt, an denen man so genau seine Winzigkeit und schlussendlich auch Bedeutungslosigkeit spüren kann.

Das Leben findet im hier und jetzt statt, reduziert auf die Essenz, eine unglaubliche Erfahrung und der Atlantik ist weiterhin gnädig mit uns.

01-12-2018

Wir kommen gut voran, tagsueber mit 6-7kn, nachts etwas weniger, der Wind laesst manchmal nach. Aber wenn es so weiter laeuft und die Wetteraussichten sind gut, dann sind wir am naechsten Sonntag auf Martinique , vielleicht schon Samstag. Noch 1050sm zum Ziel.

Es ist waermer als waehrend des gesamten Jahres, mit Ausnahme der Zeit im Sommer in Deutschland. Auch nachts wird es nicht kaelter als 23 Grad. Morgen wird der Christstollen ausgepackt und Corelli mit barocker Weihnachtsmusik dazu erklingen. Zum Fruehstueck und dann ist wieder gut.

03-12-2018

Der Wind hat zugenommen auf 7Bft, entsprechend auch die Welle. 4- 5m Wellenberge sind keine Seltenheit. Tagsüber, wenn sich die Wellen direkt neben der Reling noch 2m höher aufbauen, kann man dem Treiben mit Respekt aber fasziniert zuschauen. Nachts ist es unheimlich. Wir fahren allerdings die Hälfte der Zeit nachts.

Egal, was wir tun, kochen, anziehen, waschen, aufräumen, egal was es ist, eine Hand muss am Schiff bleiben, man fliegt sonst sofort unkontrolliert durch die Gegend.

Ich hatte ja die Befürchtung, mir würde die Bewegung nicht reichen, dem ist nicht so. Das Schiff fährt Slalom und wir machen Skigymnastik, immer leicht federnd in den Knien, das permanente Rollen immer ausgleichend, das ist ganz schön anstrengend.
Auf die Frage, was für sie der größte Luxus unterwegs gewesen wäre, antworteten verschiedene Fahrtensegler mit: eine Süsswasserdusche oder Joghurt oder Kunst und Kultur- für uns wäre es ein schaukelfreies Essen, bei dem man nicht den Teller festhalten muss. Und ein Glas Wein parallel ( an Bord Saft )dazu, nicht nacheinander, weil man nicht auf sämtliches Geschirr gleichzeitig aufpassen müsste.
Und der Autopilot steuert unermüdlich die Wellen besser und vor allem ausdauernder aus, als wir das tun könnten. Noch 760sm zum Ziel.

06-12-18

Es gibt hier ein Wetterphänomen, das Squall genannt wird und in keiner Vorhersage berücksichtigt wird, weil es sich um ein lokal begrenztes Ereignis handelt. Der Wind nimmt von nichts auf Sturmstärke zu, es gibt sintflutartigen Regen und kurze Zeit später ist der Spuk vorbei, bislang blieben wir verschont.

Auszug aus dem Logbuch, 6.12.18, 6.00 Uhr :

"Die 1. Squall. Innerhalb von 2 Minuten von Zunahme des Windes 12kn auf 37kn! Mit der Windsteigerung kam Regen mit einer Menge wie unter der Dusche. Ich musste so schnell reffen, dass keine Zeit blieb um Handy, Tablet oder Laptop in Sicherheit zu bringen. Alles steht unter Wasser, hoffentlich ist nichts kaputt. ( zum Glück nicht)  Nach 10 Minuten war das Meiste vorbei, der Wind wieder bei 20kn angelangt, Regenmenge normal. Nach weiteren 20 Minuten kurze Flaute von 10 Minuten, jetzt ist der Wind wieder bei 12-14kn, allerdings um 30 Grad gedreht. An diese Wetter Ereignisse muss man sich erst mal gewöhnen. Da ich noch Nachtwache hatte und alleine war, blieb mir keine Zeit, mich gegen Regen zu schützen. Ich bin klatschnass."

07-12-18

So langsam nähern wir uns Martinique, in der Nacht von Samstag auf Sonntag sollten wir ankommen. Leider hat der Wind etwas nachgelassen, was uns zwar weniger Welle beschert, aber auch weniger Knoten. Zumindest nachts fahren wir auch keinen Blister, das wäre im Fall einer Squall zu gefährlich. Die Nächte sind jetzt mondlos, aber sternenklar - grandios. Es gibt nur noch wenige Orte auf der Welt, die so dunkel sind, um einem eine solche Menge an Sternen zu bescheren. Der Himmel sieht aus wie eine riesige Schüssel mit kleinen Löchern, durch die Licht scheint, zuletzt lag der Mond wie eine Schüssel horizontal am Firmament. Wir sind weit im Süden, auch die Sternbilder stehen auf dem Kopf, zumindest aus unserer nördlich gewohnten Sichtweise betrachtet.

Das Gefühl von Hochsommer passt mit dem Datum nicht zusammen, was umso befremdlicher ist, als im Dezember kurz vor Weihnachten auch die beruflichen Gänge in der Regel heruntergeschaltet werden, Weihnachtsfeiern, bevorstehender Urlaub, ausgedehnte Feiertage, slow down. Nicht so hier, mitten im Sommer, Tatendrang.

Wir fangen schon mal an Süßwasser zu verschwenden für die Bootswäsche innen und bereiten uns vor für die Zeit auf den karibischen Inseln.

08-12-18

Die letzten 100sm sind angebrochen, morgen früh Ortszeit sollten wir da sein, sinnigerweise, wenn es schon hell ist. Es gibt vorgelagerte Riffs und Untiefen und wir wissen nicht, wie die Fahrrinne in der riesigen Bucht betonnt ist.

Gestern hatten wir nur wenig Wind, wir setzten den Blister, um wenigstens noch 5kn zu laufen. Ja und heute Nacht ging's turbulent zu, die Squalls jagten eine die andere. Man sieht eine schwarze Wand und dann kommt Wind aus unterschiedlichen Richtungen mit Stärken von 25 - 37kn und Wasser, Sturzbäche davon. Die Windsee ist wieder 3-4m hoch, aber diesmal nur aus der Windrichtung, kein Chaos. ( Bei der letzten Squall haben Dieters Laptop und eine Festplatte die Grätsche gemacht, zu viel Wasser im Gehäuse.)

Wir kommen gut damit zurecht, unser Schiff fährt uns souverän durch die Nacht.

Jetzt, nach 3 Wochen auf See sind die Wäscheberge hoch, das Schiff braucht eine Süßwasserreinigung, aber wir hätten immer noch fast einen Tank voll Wasser. Das hängt am Wassermacher, aber auch am Seewasserhahn, wir kochen und spülen direkt mit Seewasser. Energiemäßig hat es sich gezeigt, dass wir einschl. Wassermachen, Brot backen und 24 Stunden steuern des Autopiloten, nicht zu vergessen die vielen elektronischen Geräte, nur etwa jeden 2.Tag den Motor 1h mitlaufen lassen mussten, ansonsten reichte die Energie aus Wind und Sonne.

Und Müll haben wir grade mal 3 Säckchen produziert, 2 davon Verpackungen und Blechdosen, 1 Restmüll, organischer Müll wandert ins Wasser. Aber jetzt ist es Zeit, mal wieder essen zu gehen und andere Farben als blau zu sehen. Früher waren wir aufgeregt vor jeder einzelnen Nachtfahrt, das hat sich relativiert, aber nach 3 Wochen ist es auch gut vorerst.