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Segelnde Landratten??

Zu Zeiten, als es noch keine Reiseblogs gab und keine großen Charterflotten, keine Billigflüge und keine Informationen über Internet, träumten wir immer den Schiffen entlang, die vor der Küste segelten – damals ein unerreichbarer Traum.

Als ersten Test, ob wir an der Sache dranbleiben sollten, machte Dieter einen 4- Tages Schnuppertörn mit – alleine, denn mir wird schon auf dem Rücksitz eines Autos schlecht -  und er war restlos begeistert. Wir kauften eine alte Neptun 26 und segelten zuerst auf dem Altrhein, die Kinder, damals frisch geboren und 1 ½ Jahre alt, immer dabei.

Um auch entferntere Reviere bereisen zu können, charterten wir uns als Familie 30 Fuß Boote in Griechenland, in Frankreich und in Holland. Es stand jedoch schnell fest, dass wir lieber auf eigenem, etwas größerem Kiel in anderen Revieren segeln wollten- da weiß man, was man hat, was kaputt ist, was fehlt.

Mitunserem zweiten Schiff, einer Bavaria 30 fuhren wir 1996 den Rhein hinauf bis ins Ijsselmeer – es war eine wunderbare Tour, wenn auch ziemlich kalt im April. Das Ijsselmeer ist für eine Familie mit kleinen Kindern ein ideales Revier, es gibt Sandstrände zum Buddeln, Spielplätze, Schlösser, Museen und jede Menge Unterhaltung aller Art. Die Entfernungen zwischen den Häfen sind kurz, die Inseln liegen vor der Tür und wenn es Legoland sein sollte, fuhren wir nach England über den Kanal.

Gebunden an die Ferien, oft mit schlechtem Wetter im Frühjahr und im Herbst wollten wir schlussendlich aber mehr Sonne, unabhängig von der Reisezeit.

Im Ijsselmeer kauften wir 1997 unser drittes Schiff eine Maxi 35, Mittelcockpit, ein Traum von einem schwedischen Schiff, mit dem wir 2002 über die Maas, über die Kanäle quer durch Frankreich ins Mittelmeer fuhren. Es war die Zeit des Surfens und Schwimmens in Buchten, die Zeit, mit dem Beiboot durchs Wasser zu düsen oder in der Sonne zu lesen. Wenn es den Kindern gut geht, dann den Eltern auch.

2004 kauften wir uns schlussendlich in Frankreich eine 20 Jahre alte Brise de mer 44, Aluminium mit Mittelcockpit, groß genug für eine Familie mit 2 großen Jungs und einem Hund und groß genug für eine Segellangfahrt. Und dabei noch gut zu zweit zu bedienen. Seitdem sind wir am Renovieren und am Ausrüsten, vornehmlich im Winter und jetzt ist es startklar.

Was uns motiviert:

Wir träumen von Langfahrt, wir träumen vom Bummeln von A nach B, wir richten uns nach dem Wind und nach uns und den Menschen, die uns am Herzen liegen, sind neugierig auf andere Regionen, Landschaften, Städte, auf Kunst und Kultur und auf andere Leute.

Was unsere Pläne fast gestoppt hätte:

Silvester 2015/2016:

Angelika:

Dieter hatte undefinierbare Schmerzen überall, wir dachten an Morbus Bechterew, er nahm Schmerztabletten. Anfang Januar suchte er einen Internisten auf, der ihm gute Gesundheit attestierte, er hätte zwar eine Anämie, aber das wäre nicht von großer Bedeutung. Am Tag darauf war die Sauerstoffversorgung so schlecht, dass er Doppelbilder sah.

Die Schmerzen nahmen zu, es folgten noch ein Orthopäde und nach seinem Urlaub der Hausarzt, der nach einer Blutuntersuchung dafür sorgte, dass wir am folgenden Tag nach Mannheim ins Klinikum fuhren – von da ab durfte er nicht mehr selber laufen und wurde sofort auf die Leukämiestation verlegt.

Leukämie: wir hielten das alles für einen Irrtum, es fühlte sich falsch an, auf der Station zu sein. Die Schwestern brachten uns einen Kaffee, die ersten Arztgespräche folgten, nach dem Wochenende wurde eine Knochenmarkspunktion gemacht und am Aschermittwoch, am 10.2.2016 kamen 2 Ärzte zu uns ins Zimmer, setzten sich und Dr. Klein sagte: „wir haben jetzt eine Diagnose. „ Es gäbe 2 verschiedene Chromosomenveränderungen und Dieter hätte akute myelosche Leukämie, kurz AML.

Dr. Klein erklärte uns die nächsten folgenden Schritte – das Legen eines Ports, der Beginn der ersten Chemowelle mit 12 Chemos am nächsten Tag.

 

Dieter:

Natürlich konnten wir mit dem Begriff zuerst nichts anfangen, Leukämie kannten wir bis dahin nur aus Fällen, die tödlich endeten. Wir wurden auf unsere naive Frage “wie lange eine solche Behandlung dauern würde“ zunächst voller Unverständnis angeschaut und es wurde uns dann erklärt, dass wenn alles gut gehe, diese mehrere Jahre dauern könne und ich mindestens 5 Jahre keine Baustelle betreten und damit, da ich 58 war, meinen Beruf nicht mehr ausüben dürfe.

Man liest sich entlang, liest Statistiken und liest Erfahrungsberichte.

Angelika:

Dieter zog um in den geschlossenen Bereich, er durfte Besuch erhalten von 5 verschiedenen Personen, eine davon ich, die Jungs zählten extra, weil sie nicht ständig vor Ort waren und weil sich die Familienkeime kennen.

Dieter:

Die gesamte Behandlung muss in einem sterilen und keimfreien Bereich erfolgen. Die Fenster sind zugeschraubt, man befindet sich in einem Einzelpatientenzimmer mit WC, und weiß: “wenn man rausgeht, ist man tot“. Es fühlte sich an wie Einzelhaft.

Am Ende des ersten Jahres ging es mir wieder besser, es ging steil bergauf. Der Körper ist auch jetzt - am Ende des zweiten Jahres noch lange nicht wieder in der alten Form, aber durch ständiges Training immer bis zur Schmerz- oder Leistungsgrenze - Ausruhen und dann wieder von vorn, habe ich wieder ein Mindestmaß an Leistungsfähigkeit erreicht.

Seit Beginn 2017 segeln wir wieder gemeinsam zwischen den Untersuchungsintervallen im Krankenhaus in Etappen im Mittelmeer. Wir sind auf dem Weg nach Westen.

Und darum schreiben wir hier – für die Betroffenen und für die Angehörigen.

Die Sicht von innen und von außen. Für uns beide war die Zeit sehr schwer, aber die Sichtweise, Probleme und Ängste unterscheiden sich doch grundlegend.